Ein Raum zum Schreiben || Kristin Valla || übersetzt aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs || mare Verlag || erzählendes Sachbuch? || HC || 272 Seiten || 1/1
Obwohl sie mit dreißig mehrere international beachtete Romane veröffentlich hat, stellt Kristin Valla mit Anfang vierzig fest, dass niemand – nicht einmal sie selbst – sie noch als Schriftstellerin betrachtet. Inzwischen ist sie Mutter geworden, ihr ehemaliges Arbeitszimmer in der kleinen Osloer Wohnung zum Kinderzimmer, und im Kreise anderer Kreativer fragt schon längst niemand mehr, woran sie gerade arbeitet. So fasst sie den Entschluss, sich den verlorenen Schaffensraum zurückzuerobern, und begibt sich auf zwei parallele Reisen. Die erste führt sie – auf der Suche nach einem eigenen Arbeitsdomizil am Meer – nach Südfrankreich, die zweite auf die Spuren berühmter Literatinnen wie Daphne du Maurier, Selma Lagerlöf, Toni Morrison oder Chimamanda Ngozi Adichie, für die das Recht auf einen eigenen Raum zum Schreiben alles andere als selbstverständlich war.

Mit diesem Buch habe ich eine ganze Weile lang geliebäugelt, mich zunächst gegen das Lesen entschieden und mich dann kurz vor knapp doch noch bei vorablesen beworben - und gewonnen!
Und ich muss sagen, die ersten Kapitel lang habe ich das bereut und sogar darüber nachgedacht, das Buch abzubrechen. Mit der Autorin und Protagonistin verband mich in ihrer midlife crisis nichts; ich empfand sie als wehleidig und entscheidungsschwach.
»Mehr als ein Ort zum Schreiben war das Haus für sie eine Richtung. Eine
Markierung, die sagte: Das werde ich jetzt tun, und ich brauche das Haus, um es
zu tun. Ein Wendepunkt, oder ein Nullpunkt, wenn man so will. Solche Nullpunkte
werden im Leben von Frauen oft unterschätzt. Unsere Geschichten werden in der
Regel mit dem Ausgangspunkt in unseren Beziehungen zu anderen erzählt, mit
Kindern und Ehe als großes Vorher und Nachher des Lebens; auch diejenigen, die
dies nicht erleben oder sich dagegen entscheiden, müssen sich dazu verhalten.«
Irgendwann kratze sie dann jedoch die Kurve, wurde entschlossener und das Vorankommen mit ihrem Haus interessierte mich dann doch. Besonders gefielen mir die Einflechtungen von anderen Autorinnen und ihrem Erfahrungen mit Eigenheim, Privatsphäre und Rückzugsort. Hier hätte ich mir nur ausführlichere Vorstellungen gewünscht, gerne auch als Kurzbiographien im Anhang - denn während mir einige Autorinnen wie Virginia Woolf, Maya Angelou, Selma Lagerlöf, Vita Sackville-West oder Annette von Droste-Hülshoff zumindest namentlich bekannt waren, ich von oder über Daphne du Maurier, Christine de Pizan, Jeanette Winterson, Agatha Christie, George Sand, Karin Blixen sowie Charlotte und Emily Brontë schon was gelesen habe, waren mit der Großteil der Namen neu: Amalue Skram, Juliana von Norwich, Leïla Slimani, Patti Smith, Alice Walker, Marguerite Duras, Suzanne Brøgger, Chimamanda Adichie, Vigdis Hjorth, Toni Morrison, Patricia Highsmith, Edith Wharton, Frances Hodgson Burnett, Bjørg Vik, Halldis Moren Vesaas, Sigrid Undset, Doris Lessing, Buchi Emechetta, Serine Regine Normann, Margery Kempe, Kerstin Thorvall, Annie Proulx, Halldis Moren Vesaas, Louisa May Alcott. Ganz viel literarische Recherche wurde für dieses Buch also betrieben - es wäre schön gewesen, wenn davon mehr als nur die (zumeist norwegischsprachigen) Quellen geteilt worden wären!
»Fast keine Frau hat unter dem Eindruck maskuliner Gestalten solche
Huldigungen an diese geschrieben, wie Männer sie an Frauen gerichtet haben.
Aber sie haben im Licht von Bauwerken geschrieben.«
Ich habe jetzt auf jeden Fall große Lust, in das Leben und Werk einiger dieser Frauen hineinzulesen, meine nächste Wohnung mental zu planen und sowieso niemals auf einen eigenen Raum zu verzichten. Und nachdem ich mir auf Instagram einige Bilder des französischen Hauses angeschaut habe, möchte ich am liebsten auch direkt losreisen ♥
»Wenn mir die Geschichte etwas gezeigt hatte, dann, dass Frauen überall
schreiben können, unter den unmöglichsten Bedingungen. Sie hatten am Herd
geschrieben, während sie Brownies buken, und auf dem Treppenabsatz, während sie
Kinder hüteten. Auf dem Wickeltisch beim Windelwechsel und im Bus auf dem Weg
zur Arbeit, nachts in einer dunklen Wohnstube und tags-über im Gefängnis.
Frauen hatten in einer Höhle im Gebirge geschrieben, in einer psychiatrischen
Klinik, in ab-grundtiefer Armut und am Rande des Selbstmordes.«
Wem ich dieses Buch empfehlen würde, darüber bin ich mir nicht sicher - letztlich hat es mir durchaus gefallen und es liest sich auch flott und leicht; weltbewegend oder erleuchtend war es jedoch nicht.
... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Die gemalte Covergestaltung finde ich sehr einladend; da kommen direkt mediterran-sommerliche Gefühle auf! Und ein Lesebändchen hat das Buch auch. Der Titel ist klasse gewählt; in Anspielung auf Virginia Woolf - der norwegische Originaltitel jedoch ist treffender: Eigene Orte: Über schreibende Frauen, Leidenschaft und ein kleines Haus auf dem Lande in Frankreich.
VIELEN DANK AN VORABLESEN FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR
Nicht der große Wurf, sondern zwischen Sinnsuche und Sachbuch über Autorinnen und die Orte, an denen sie schrieben - leichte Lektüre und Anregung für weitere.
persönlich ~ mäandernd ~ sinnsuchend
Welche der genannten Autorinnen kennt ihr; habt ihr sogar Bücher von ihnen gelesen? Und wenn ihr euch irgendwo auf der Welt eine Wohnung/ein Haus kaufen könntet, wo wäre das?
Ähnliche Bücher in meiner Schatztruhe:
{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenJetzt dachte ich durch den Titel, dass das ein Buch ist, das ich vor vielen Jahren gelesen habe. Das hieß auch irgendwie so ähnlich "Raum zum Schreiben" oder so und war ein Schreibratgeber.
Dass du dich mit der Prota nicht identifizieren konntest kann ich mir gut vorstellen. Du bist ja noch jung *lach* und hast so vieles noch vor dir! <3 Ob ich mich mit deren Gedanken identifizieren kann, weiß ich aber leider auch nicht. Ich hab mich in meiner "Rolle" immer wohl gefühlt, welche auch immer gerade nötig war bzw. welche mir das Leben gerade zugespielt hat - allerdings hab ich natürlich auch mit vielem Kämpfen müssen.
Ob man da mitfühlen kann ... vielleicht spielt es auch eine Rolle inwieweit man hier auf einer Wellenlänge liegt mit der Person, ob man die Gedanken nachvollziehen kann und sich auf irgendeine Art auch selbst darin wiederfindet?
Dass mit den vielen Namen von Autoren - also einerseits finde ich es schön wenn ich sowas entdecke und wiedererkenne (wie Agatha Christie), aber mir sagen wirklich fast alle Namen so gut wie gar nichts und das nervt dann, weil man damit einfach nichts anfangen kann. Da hätte ich mir auch gewünscht, dass es dazu noch ein bisschen Infos gibt.
Liebste Grüße, Aleshanee
Ahoi liebe Alexe,
Löschenja, das Buch ist mir beim Googlen auch häufiger begegnet :D
Und ich glaube auch, dass der Altersunterschied bzw. die ganz andere Lebensrealität ein Grund dafür war, warum ich zur Autorin wenig Verbindung aufbauen konnte und mich eben einfach nicht in ihr wiederfinden konnte. Was das names dropping angeht, kann ich das jedoch ganz objektiv als schade bezeichnen - weil ja, mir waren und sind auch viele der Autorinnen unbekannt und die Vorstellungen oft nur oberflächlich oder gar nicht vorhanden; da wäre viel Potential gewesen ^^
LG Ronja
Liebe Ronja,
AntwortenLöscheneine schöne Buchvorstellung. Ich habe ein ähnliches Buch von einem Autor gelesen, der sich ebenfalls auf die Suche nach den Arbeitsplätzen von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren begibt. „Schreibwelten“ von Alex Johnson.
Von den genannten Autorinnen kenne ich tatsächlich einige, zu viele, um die Bücher hier aufzulisten. Als Beispiel und auch gleich als Empfehlung nenne ich mal "Dann schlaf auch du" von Leïla Slimani. Ein sehr unbehagliches Buch, das mich gedanklich noch lange begleitet hat.
Liebe Grüße
Marie
Ahoi Marie,
Löschenoh jaaa, "Schreibwelten" hatte ich bei Erscheinen auch unbedingt lesen wollen, war aber nie dazu gekommen... hat es dir gefallen?
Und danke für den Buchtipp; schaue ich mir mal an ^^
LG Ronja
Liebe Ronja
AntwortenLöschenDas Buch sieht toll aus und es ist mir in den letzten Tagen auch einige Male bei Instagram begegnet, aber die Rezensionen waren eher durchwachsen und was du schreibst, schreckt mich ehrlich gesagt auch eher ab. Es stört mich, wenn Protagonistinnen zu schwach dargestellt werden und ich denke, dass dies einfach irgendwie am verinnerlichten Sexismus liegt, den viele von uns in sich tragen, dass Frauen ab einem gewissen Alter oft irgendwie....mühsame Figuren sind. Oder jemand ist wirklich mühsam wehleidig und das nervt dann einfach nur. Oder vielleicht ist es ein wenig beides ;-)
Persönlich habe ich nichts gegen Bücher, die nicht hängenbleiben, aber dann müssen sie mich zumindest beim Lesen wunderbar unterhalten, ablenken, berühren oder was auch immer. Das scheint hier irgendwie nicht der Fall zu sein und deshalb lasse ich - schönes Cover hin oder her - die Finger von diesem Buch ;-)
Alles Liebe
Livia
Ahoi liebe Livia,
Löschenmühsam; da hast du eine richtig gute Beschreibung gefunden! Die "Protagonistin" ist ja die Autorin selbst, also kann ich ihr die Charakterzüge nicht "vorwerfen", aber ich kann mich in diese midlife crisis halt auch nicht so reindenken, weil dieses ganze Mann-Kinder-Haus-ich fühl mich so leer halt meilenweit (buchstäblich!) von meiner Lebensrealität entfernt ist.
Und ja genau, Bücher müssen nicht life changing sein, aber dann Lesensfreude bringen - das brachte mir dieses nicht wirklich; du kannst beruhigt die Finger von lassen :D
LG Ronja